Montag, 19. April 2010

Vulkan in Island: Weiträumige Beeinträchtigung des Luftraumes

Flughafeninfos ZRH:
http://www.flughafen-zuerich.ch/desktopdefault.aspx/tabid-42/



Geophysische Situation in Island

Nicht nur die kulturelle und historische Einzigartigkeit Islands machen die nordatlantische Insel zum belieben Reiseziel, sondern auch ihre geologische Besonderheit fasziniert viele Besucher. Die Insel liegt auf der Grenze der nordamerikanischen- und eurasischen Kontinentalplatten, etwa ein Viertel liegt auf der amerikanischen und drei viertel auf der europäischen Platte. Dazwischen befindet sich ein ca. 7 km breiter Graben, der sich durch die ganze Insel erstreckt. (Zur Orientierung: Der einst für die Germanen historisch bedeutende Ort Þingvellír befindet sich etwa auf der mittleren Längsachse des Grabens, im südlichen Teil der Insel).


Photo: Stephan Riediker

Kleinste vulkanische Aktivitäten sowie immer wiederkehrende kleine Erdbeben gehören dort fast zum Alltag, die geothermische Energie wird von Islands rund 300'000 Einwohnern wirtschaftlich verschiedenartig genutzt. Was jedoch auch zum Naturspektakel gehört, sind die seltenen, jedoch sicher eintreffenden Eruptionen, welche alle paar Jahrhunderte die Eisdecke der Gletscher sprengen und eine beträchtliche Menge Asche in die Atmosphäre ausstossen.
Das Gefahrenpotential dabei ist nicht primär die Explosion des Ausbruches selbst, sondern die Folgen danach: Das Schmelzwasser des Gletschereises verursacht einerseits einen Wasserstrom, der unter Umständen eine grössere Wucht hat als der Amazonas, eine Gefahr, die sich lokal beschränkt. Bedenklicher ist jedoch die Gefahr der Aschenwolke, deren schwereren Partikel sich auf isländischen Boden absenkt und die Menschen (gemäss Aussagen der zuständigen Behörden Islands) mit ungesundem Staub belasten kann. Bisher wird die Aschenwolke vom Wind in Richtung süd-osten geblasen, wodurch die Insel vorerst "sauber" bleibt. Die leichteren Partikel bleiben aber viel länger in höheren Schichten der Atmosphäre und werden mit dem Jetstream und anderen Winden weiträumig verbreitet und bilden auch in kleiner Konzentration einen Störfaktor für die Aviatik.

Angesaugt vom Triebwerk, erhitzt und komprimiert können die Aschenteilchen (sog. Aerosole) verklumpen und den Kanal zwischen Mantel und Düse verstopfen. Ausserdem wird der Druck im Staurohr beeinträchtigt, was zu falschen Höhenmessergebnissen führt. (Unmittelbar beim aktiven Vulkan selbst kann eine hohe Konzentration des Rauchs die Qualität der Radarmessungen und der Funkverbindungen erheblich verschlechtern, was aber dermassen Weiträumig kein Thema ist). In der Aviatik geht man davon aus, dass die Gefährlichkeit der Schmutzpartikel ab einer Konzentration von 2 µg pro kg Luft massiv zunimmt. Wo sich eine solche Konzentration befindet, muss mit verschiedenartigen Modellen ermittelt werden.

Jedenfalls ist durch dieses natürliche Ereignis der Luftverkehr europaweit massiv beeinträchtigt, weshalb es sich lohnt, sich über die aktuelle Lage des Flugverkehrs zu informieren, um Unannehmlichkeiten allenfalls vermeiden zu können.

Wetter in Europa

Das Flugwetter in Europa wird zwischen Mai und Juni 2010, bei Winden aus nordwestlicher Richtung, von den weiteren Aktivitäten des isländischen Vulkans "Eyjafjallajökull" bestimmt werden, weil sich durch die Eruptionen sowohl Vulkanstaub und feinste quarzhaltige Vulkanasche in einer Höhe von 5'000 bis 11'000 m.ü.M. "ablagern", bzw. länger dort schweben werden.

Anhaltende Regenwetter, welche die vulkanischen Substanzen ausspülen, werden etwa ab Anfang Mai 2010 zu erwarten sein. Darüber hinaus wird die Atmosphäre über Europa in den kommenden Monaten mit verdünnter schwefliger Säure (H2SO2), auch Schwefeldioxid-Lösung genannt, welche durch die Verbindung aus Schwefelwasserstoff (H2S) und Schwefeldioxid (SO2) entsteht, angereichert.

Vulkanausbruch Abendhimmel Bild: Wikipedia
(Europaweit wird am Himmel bei eigentlich klarem Wetter horizontal eine leichte Färbung sichtbar sein, als befände man sich unmittelbar in der Nähe einer Grossstadt.)

Sollte der Vulkan Ausbruch mit den mächtigen Eruptionen über den Sommer 2010 weiterhin anhalten, kann es zu einer massiven Abkühlung über Nord- und Mitteleuropa kommen.

Verkehrsflugzeuge fliegen auf einer Reisehöhe zw. FL 300- 400, also 30'000 - 40'000 ft, was etwa 10'000 bis 12'000 m.ü.M. entspricht. Auf dieser Höhe beträgt die Luftdichte etwa einen Viertel dessen auf Meereshöhe, das heisst, wenn auf dieser Höhe zu viele Aschenpartikel schweben, beeinträchtigt das die Maschine deutlich mehr, als wenn sich die gleiche Menge Asche in Bodennähe befände. Bis die Natur ein neues Gleichgewicht hergestellt hat kann es noch eine ganze Weile dauern.

Eigenschaften der Vulkanasche:

Vulkanasche besteht hauptsächlich aus zwei verschiedenen Aerosoltypen: Etwas mehr als 92% des Volumens besteht aus ca. 0.3- 0.5 µm grossen Schwefeloxid- und die restlichen knapp 8 Volumen-% sind 10-12 µm grosse Quarzpartikel, womit sich das Massenverhältnis fast ausgleicht.

Die wesentliche Menge an Aerosole wird von der Luft mit rund 500 hPa getragen, was etwa einer Höhe von 5'000 m.ü.M. entspricht. Dort befindet sich eine für die menschlichen Sinnesorgane erfassbare Konzentration, d.h. man kann die Asche dort sehen und riechen. Darüber nimmt die Konzentration kontinuierlich mit zunehmender Höhe ab, bleibt aber aufgrund des geringen Luftdruckes auf 10'000 m.ü.M. für die Fliegerei nach wie vor relevant.

Die Verbreitung der Aschenwolke ist vor Allem durch die Winde beeinflusst und lässt sich daher nur schwer anhand eines mathematischen Modells beschreiben. Bei absoluter Windstille könnte man die Verbreitung der Aerosole mit einer e-Kurve proportional zur horizontalen Distanz beschreiben- einer Naturkonstante, mit denen man in der Physik am besten eine degressiv fortschreitende Ausflussrate anhand eines sich dadurch entwickelnden Potentials beschreiben kann. Da die Winde aber die bewegung der Aschenwolke steuern, bleibt die Konzentration viel länger auf relativ hohen Niveau erhalten, da die Masse nicht zerstreut, sondern kanalisiert wird.

(eine Animation des Modells, Dr. B. Neininger, Atmosphärenphysiker, Dozent an der ZHAW)

Frage: Wieso haben europäische Verkehrsminister den ganzen Luftverkehr gesperrt? Antwort: Dies hat zwei Gründe: Einerseits kennen sich viele von ihnen nur unausreichend mit Atmosphärenphysik aus, weshalb ihnen das zutreffende Ausbreitungsmodell nicht bekannt ist- die kanalisierte Forttreibung der Aerosole bringt die Eigenschaft mit sich, dass anstatt den ganzen Luftraum zu sperren, lokale Einschränkungen völlig ausreichen würden. Der zweite Grund dürfte politischer Natur sein: Das Vereinigte Königreich war von der Kontamination stärker betroffen als andere Regionen. Eine Sperrung fast nur über Grossbritannien und kleinen anderen Regionen hätte dem britischen Luftverkehr einen internationalen Marktnachteil verschaffen. Aus diesem Grund wurde die These bevorzugt, man müsse am besten den Luftverkehr europaweit lahmlegen.


aktuelles Wetter in Island:
http://en.vedur.is/about-imo/news/2010/nr/1879


aktuelle Info:
http://www.sueddeutsche.de/politik/760/508899/text/

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