Donnerstag, 11. März 2010

Wie das Rüchardt-Experiment den Adiabatenexponent eines Gases liefert

Ermittlung der Temperatur durch die Thermodynamik
Das im Alltag geräuchliche Quecksilberthermometer funktioniert nach dem Prinzip der Volumenänderung des Metalls bei Temperaturänderung. Eine bestimmte Menge Quecksilber, die je nach Temperatur einen gewissen Spiegel im Röhrchen erreicht, deutet also auf eine Raumtemperatur hin. Aber was ist, wenn der zu messende Raum sich in einem extremen Temperaturzustand befindet, dass Quecksilber deshalb nutzlos würde, weil es z.B. verdampft und dadurch nicht mehr als Messmethode dienen kann? Für solche Fälle hat man andere Methoden entwickelt, deren Grundkenntnisse nicht zu letzt in der Aviatik und in der Industrie von relevanter Bedeutung sind.


Realitätsbezug: Das Gasthermometer
Um unter Extrembedingungen, bei denen man mit herkömmlichen Quecksilberthermometern an die Materialbelastungsgrenzen stossen würde (z.B. bei 1´000°C), die Temperatur zu messen, arbeitet das Gasthermometer nach dem Prinzip der Messung des Gasdrucks einer konstanten Menge des Gases, dessen Volumen sich je nach seiner Art spezifisch zur Temperaturänderung variiert. Dazu muss zuerst ermittelt werden, wie sich das verwendete Gas, z.B. Luft bei einer Erwärmung konkret verhält. Erst mit dieser Erkenntnis kann man die spezifische Ausdehnung pro Temperatureinheit und damit den potentiellen Druckunterschied des Systems ermitteln, was für eine zuverlässige Temperaturmessung unerlässlich ist.

Theorie:
Komprimiert man ein Gas adiabatisch, d.h. ohne Abfluss von Wärme aus dem System, dann steigt infolge der Temperaturerhöhung der Druck stärker an als bei einer isothermen Kompression, bei der die entstehende Kompessionsarbeit als Wärme abgeführt wird. Der Exponent, mit welchem sich die Ausdehnung des Gases durch die Wärmezufuhr berechnen lässt, wird als Isotropen- bzw. Adiabatenexponent mit dem griechischen Buchstaben "kappa" (Formelzeichen: κ) bezeichnet. Dieser Wert wird durch das Rüchardt- Experiment ermittelt.

Eine adiabat und revisibel verlaufende Zustandsänderung ist isentrop (Entropie S bleibt gleich, Temperatur T ändert sich), deshalb nennt man den Exponenten auch Adiabatenexponent oder Adiabatenkoeffizient. In der Technik ist in der Regel eine adiabate Zustandsänderung (z.B. in einer Dampfturbine) nicht isentrop, da Reibungs-, Drossel- und Stoßvorgänge Entropie produzieren.

Die Formeln dazu:

p*V^k = konstant

(p2/p1)= (V1/V2)^k

Isentropenexponenten für verschiedene Gase

Temp,

Gas

κ


Temp,

Gas

κ


Temp,

Gas

κ

–181 °C

H2

1,597

200 °C

Tr. Luft

1,398

20 °C

NO

1,40

–76 °C

1,453

400 °C

1,393

20 °C

N2O

1,31

20 °C

1,41

1000 °C

1,365

–181 °C

N2

1,47

100 °C

1,404

2000 °C

1,088

15 °C

1,404

400 °C

1,387

0 °C

CO2

1,310

20 °C

Cl2

1,34

1000 °C

1,358

20 °C

1,30

–115 °C

CH4

1,41

2000 °C

1,318

100 °C

1,281

–74 °C

1,35

20 °C

He

1,66

400 °C

1,235

20 °C

1,32

20 °C

H2O

1,33

1000 °C

1,195

15 °C

NH3

1,310

100 °C

1,324

20 °C

CO

1,40

19 °C

Ne

1,64

200 °C

1,310

–181 °C

O2

1,45

19 °C

Xe

1,66

0 °C

Tr. Luft

1,403

100 °C

1,399

360 °C

Hg

1,67

20 °C

1,40

200 °C

1,397

15 °C

C2H6

1,22

100 °C

1,401

400 °C

1,394

16 °C

C3H8

1,13

Der Isentropenexponent ist definiert als das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck (cp) und konstantem Volumen (cV)

Der Wert κ bei trockener Luft beträgt 1,402. Bei feuchter Luft kann es bei Expansion, z.B. infolge der Abkühlung zum Wasserausfall kommen: durch die freiwerdende Kondensationswärme wird der Exponent niedriger.

Vorgang des Experimentes:
Für das Experiment steht ein gläsernes Gefäss (Volumen: 0.0025m³), welches nach oben eine rohrförmige Öffnung hat, zur Verfügung. Auf das offene Rohr wird ein luftdichter Kolben fallen gelassen, der mit seiner Masse von 70g die Luft komprimiert- der konstanten Luftmenge (Molarkonstante n) wird ein gewisses Volumen entzogen. Die dadurch komprimierte Luft hat nun gegenüber der Umgebung einen kompressionsbedingten Überdruck, was zu einer Erhöhung der Temperatur führt. Eine positive Rückkoppelung tritt durch diesen Prozess ein. Die Überdruckkraft stösst den herunterfallenden Kolben wieder nach oben, was dann wieder den umgekehrten Prozess auslöst. So wird auf abfedernde Weise, in immer kleiner werdenden auf- und ab- Bewegungen nach gewisser Zeit- auch durch Reibungseinfluss bedingt- der Stillstad erreicht. Gemessen werden die Temperatur und der relative Druck im Gefäss.
Der durch den ständig auf- und ab bewegenden Kolben äquivalent verhaltende Luftdruck bewirkt eine dem entsprechende Temperaturänderung, die durch Labormessgeräte gemessen wird. Erstellt man parallel zu den Messungen ein physikalisches Modell dieses Experimentes, kann das theoretische Zusammenspiel der verschiedenen Grössen untersucht werden. Stellt man die Messresultate während der Schwingungsdauer chronologisch in einem Diagramm dar, fällt dem Betrachter etwas auf: Die modellierte Kurve im p-t-Diagramm schlägt wesentlich stärker aus als die gemessene. Dies ist auf den Wärmeverlust durch das Glas zurückzuführen.
Die theoretische Grundidee für das Projekt ist eine isentrope Kompression eines Gases (hier: Luft). Da eine isentrope Kompression (Konstanthaltung der Entropie) in der Praxis aber unmöglich ist, muss das Rüchardt's Experiment modelliert werden, um die Einflüsse an den Laborgeräten (Wärmeverlust im Gefäss, Druckverlust, etc.) bereinigen zu können.
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*Arthur Louis war ein amerikanischer Geophysiker, der um 1900 das Gasthermometer zu einer Hochtemperaturmessmethode bis 1150
°C erweiterte.
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Quellen:
- Haliday Physik
- Systemdesign Prof. W. Maurer, ZHAW
Photo: Stephan Riediker, Nicole Ulrich

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