Donnerstag, 12. August 2010

Der Raketenantrieb: Neue technologische Horizonte- altbekannte Schwierigkeiten

Seit den 40-er Jahren des 20. Jahrhunderts nutzt die Menschheit die Raketentechnologie für die fast grenzenlose Bewegung im dreidimensionalen Raum. Als schlagkräftige Waffen gewährleisteten sie der deutschen Wehrmacht monatelang eine militärische Ueberlegenheit, im Dienst der wissenschaftlichen Forschung revolutionierten sie die Erkundung des Weltraums. Durch die Sprengung mancher wissenschafts- und kriegstechnologischer Schranken wurde die Welt von Raketen in ein neues Zeitalter befördert.

Funktionsprinzip einer Rakete

Im Idealfall als möglichst luftwiderstandsfreier Flugkörper wird eine Rakete nach dem physikalischen Rückstossgesetz durch den Raum geschoben. Das Grundprinzip lässt sich durch den Impulsausgleich zweier sich von einander abstossenden Körper erklären: Wird eine Masse in eine Richtung abgestossen, erhält diese einen Impuls, während das abstossende O
bjekt sich einen Gegenimpuls in die andere Richtung zufügt. Z.B. ein fahrendes Schiff verschafft sich Impuls, indem es das Wasser zurückstösst bzw. dem Wasser einen Gegenimpuls versetzt. Das Gesetz kann in einem Flüssigkeitsbild veranschaulicht werden: Die physikalischen Gesetze werden in einem einfachen Flüssigkeitsbild (zwei Töpfe mit Wasser und einem Verbindungsschlauch) repräsentativ dargestellt. Die Breiten der Gefässe representieren die Massen, die Füllhöhen über bzw. unter der schwarzen "Null-Linie" stellen die Abstossgeschwindigkeiten der bewegten Körper dar. Je grösser der Impuls (Produkt von Geschwindigkeit mal Masse) in die eine Richtung wirkt, desto grösser ist der Gegenimpuls in die andere Richtung (im Bild blau eingefärbt). Der Raketenantrieb ist die einzige Technologie, um sich im leeren Raum fortzubewegen. Der Impuls kann durch beidseitige Massenverschiebung erfolgen, nach dem Prinzip einer Wasserrakete; Der Körper stösst einen Teil der eigenen Masse ab. Impuls kann aber auch durch einen Druck (1 Pa = 1 kg/m^2) erzeugt werden, der das Objekt forttreibt, ohne dass dabei die Abstossung einer Masse relevant ist. Letztere Methode ist viel effizienter und wird normalerweise angewendet. Da Raketenantriebe nicht mit Luftverdrängung arbeiten, konstruiert man Raketen möglichst aerodynamisch, mit einem tiefen cw- Wert (Luftwiderstandskoeffizient).

historische Entwicklung

Not macht erfinderisch:
Auch wenn in Deutschland bereits ab Mitte der 30-er Jahren ein Entwicklungsprogramm für die Raumfahrt gefördert wurde, wurden in diesem Bereich erst dann konkrete Fortschritte realisiert, als die Probleme schon eingetroffen waren.
Der Marschflugkörper Fieseler Fi 103:

Er war das umgangssprachlich als "Vergeltungswaffe (V1)" bekannte Vorgängermodell der modernen Rakete. Dieses unbemannte Flugobjekt ist nicht als Rakete im eigentlichen Sinne zu verstehen, da dieses Gerät nur unter ständiger Einwirkung des Luftwiderstandes fliegen konnte, daher brauchte sie für den Start auch eine Rampe, um unter ihren Tragflächen einen ausreichenden Luftstau zu erzeugen. Lenkungstechnisch war die V1 jedoch ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der heutigen Rakete: Der primitive Autopilot war bereits in der Lage, das Ziel ungefähr zu treffen.

Im Wesentlichen arbeitet der Autopilot mit einem Gyroskop (Kreiselkompass, der sich unabhängig vom geomagnetischen Feld an der Rotationsachse der Erde orientiert durch das Gesetz der Drehimpulserhaltung (kg*m^2*s^-1)). Ausserdem ist ein Anemometer- Zählpropeller (ermittelt die geflogene Strecke durch den Luftstrom) vorne an der Spitze des Flugkörpers angebracht. Für den Schub sorgt das hinten oben angebrachte Verpuffungsstrahltriebwerk- eine für solche Zwecke sinnvolle Billigversion des "normalen" Flugzeugtriebwerks. Im Rumpf des Marschflugkörpers befinden sich zwei mit 150 bar Pressluft gefüllte Kugeln (im Bild hinter den Tragflächen zu sehen), welche den Verbrennungsprozess in Triebwerk aufrecht erhalten: Bei geschlossenen Jalousinen vorne wird das Treibstoff- Luftgemisch durch eine Zündkerze gezündet und das dadurch expandierende Gas nach hinten durch die Schubdüse geleitet. Nach diesem Vorgang sinkt der Ueberdruck im Triebwerk und geschwindigkeitsbedingt steigt er vorne an, was die Jalousinen öffnet und innen wieder für einen automatischen Luftstau sorgt. Objekte, die von einem Trägerflugzeug abgeschossen werden, können daher auf die Druckbehälter verzichten. Die Fieseler Fi 103 wurde im Jahr 1942 von deutschen Waffentechnikern und Aviatikern entwickelt. Propagandaminister Dr. Göbbels erteilte dieser Flugbombe den populistischen Namen "Vergeltungswaffe", da diese als Antwort auf die Bombardierung Hamburgs Hafen gegen britische Truppen in Einsatz kam. Als 1943 die A4- Rakete als zweite Vergeltungswaffe vorgestellt wurde, entschied man sich für die Abkürzungen V1 und V2. Die rund 2'200 kg schwere Fi 103 erreichte eine Geschwindigkeit von 574 km/h, 3 km Flughöhe und eine Reichweite von 370 km. Der Autopilot gewährleistete eine Treffsicherheit von 12 km. Das Flugobjekt war bestückt mit 847 kg Amatol (sehr effiziente Mischung aus TNT und Kunstdünger).



Die Aggregat- Serie:

Der eigentliche Durchbruch in der Raketentechnologie wurde kurz nach der Entwicklung der "V1" im norddeutschen Peenemünde realisiert. Nach den Modellen Aggregat 1,2 und 3, welche den erwünschten Anforderungen nicht entsprachen wurde der Senkrechtstarter A4 als "Vergeltungswaffe 2" vorgestellt. Diese ist eine der technologisch höchst entwickelten Raketen, die bisher gebaut wurden. Antrieb Für den Raketenantrieb muss eine explosive Mischung von 75% Ethylalkohol und 25% Sauerstoff zusammengefügt werden, bevor es in der Brennkammer gezündet und durch die Schubdüse ausgestossen wird. Dafür braucht es eine Pumpe, welche pro Sekunde 150 l Flüssigkeit fördert. Diese Pumpe wird mit einer Hochdruckturbine durch die Zersetzung von Calciumpermanganat und Wasserstoffperoxid angetrieben. Wasserstoffperoxid (H2O2) muss durch eine Kühlung mit komprimiertem Stickstoff transportiert werden. (Das Verfahren ist bekannt aus der U-Boot Technik: 2 H2O2 -> 2 H2O + O2 + Wärme). Wird dieses Gemisch schliesslich verbrannt, entsteht in der Düse eine Temperatur von 2'700°C, weshalb die Brennkammerwände mit Alkoholkanälen gekühlt werden müssen. Als erzielter Effekt herrscht dort ein Ueberdruck von 18 bar, was eine Schubkraft von 270N, im All sogar 300N bewirkt, also ein heute noch aktueller Wert.

Navigation

Am Scheitern der damaligen Funk- und Informatiktechnologie mussten anfänglich begangene Fernsteuerungsversuche als "nicht realisierbar" erklärt werden. Deshalb rüstete man diese Rakete mit einem Autopiloten (Lageregelung) aus, der mit Kreiselsteuerungs- und Schaltuhrtechnik arbeitet. Die Kreiselsteuerung besteht aus rotierenden Scheiben und nutzt das Prinzip der Drehimpulserhaltung, das besagt, dass jeder rotierende Körper zur Erhaltung der Rotationsrichtung bestrebt ist. So kann das unbemannte Gerät gezielt auf seine Reise geschickt werden. Die Schaltuhr bezweckt, dass diese Kreiselsteuerung 3-4 Sekunden nach dem senkrechten Start der Rakete sich in die Richtung so weit neigt, bis das Gerät die erwünschte Flugbahn antritt.



Steuerung und Flugbahnkorrekturen

Beim Versuch, einen Bleistift an seiner Spitze auf einem Finger balancierend aufzuheben, könnte man sich vorstellen, welche kinematische Probleme bei einem Raketenstart auftreten. Auch wenn eine Rakete möglichst symmetrisch konstruiert ist, wird ihre Flugbahn durch äussere Einflüsse schnell abgelenkt, was dauernd auskorrigiert werden muss. Sobald das Fluggerät durch seine Geschwindigkeit einen ausreichenden Luftstrom streift, werden die Steuerruder an den Leitwerkflügeln durch Servomotoren bewegt. In der Startphase, wenn das Flugobjekt noch keine ausreichende Geschwindigkeit hat, müssen die 4 Gasstrahlruder (im Bild rot eingefärbt) die Flugbahnkorrekturen übernehmen.

Materialansprüche

Die 14 m hohe, 12,5 t schwere Boden-zu-Boden-Rakete beschleunigt in der Startphase auf über 1'150 m/sek, also rund 3'700 km/h, bis sie sich auf über 100'000 m.ü.M im Weltall befindet. Dort neigt sie ihren Bug wieder in Richtung Erde und zielt das Feindesland im Sturzflug an, bei dem sie eine Geschwindigkeit von Mach 5 (über 5'000 km/h) erreicht. Das Material muss somit einerseits aufgrund der geflogenen Höhendifferenzen einen Druck- und Temperaturunterschied von 100'000 Pa, bzw. 300°C, sowie aufgrund der Eintrittsgeschwindigkeit in die Troposphäre, bei dem durch die Luftreibung an der Hülle Temperaturen von 600°C entstehen können, aushalten. Auch wenn Der Mantel aus massivem Stahl gebaut ist, die Flüssigkeitstanks doppelt bewandet und das ganze Objekt mit einem Kühlsystem ausgestattet ist, dürfen Sprengstoffe, die bei weniger als 200°C explodieren können, nicht mitgeführt werden. So ist auch die A4/V2 mit 1'000 kg Amatol ausgestattet, was bei diesem heftigen Aufschlag bemerkenswerte Spuren hinterlässt.

nicht realisierte Projekte

Während die Massenproduktion der erfolgreichen A4 von 250 auf 500 Stück pro Monat hätte erhöht werden sollen, wurden in der deutschen Raumfahrtstation in Peenemünde bereits weitere Projekte geplant und getestet. Nach den fallengelassenen Projekten A5- A7 galten die A8. A9 und die A10 als erfolgversprechend. Allerdings wurden diese Raumfahrtkörper aufgrund der für die Deutschen unangenehm werdenden Kriegslage nicht mehr realisiert, d.h. sie kamen nicht mehr über die Planungs- und Testphasen hinaus.

Die A8 wäre eine Trägerrakete für einen Satelliten geworden, der eine Langstrecken- Funkverbindung für Flugobjekte ermöglicht hätte. So hätte man die A4 (V2) funkgesteuert, um den eingeschränkt präzisen Autopiloten zu ersetzen. Weiter strebte man ein global vernetztes Satellitensystem an, wodurch man die Interkontinentalrakete A9 (mit der Trägerrakete A10 ins All geschossen) ans Ziel gelenkt hätte. Die A9/10 hätte man umgangssprachlich als "Amerika- Rakete" bezeichnet, da diese fähig gewesen wäre, Militärstützpunkte der nordamerikanischen Ostküste zu treffen. Die A8 hätte das Satellitensystem (geostationär- orbit) auf 36´000 km Höhe befördern müssen, da so genannte "low-earth-orbit" Systeme mit horizontal bewegenden Körpern schwer realisierbar waren.

Zukünftige Entwicklug

Ob GPS, Telephon- und TV- Uebertragung per Satellit oder die Beobachtung des Weltraumes mit Teleskopen und Raumsonden- Der Mensch ist mittlerweile geübt, die Raumfahrttechnologie für wirtschaftliche, militärische und wissenschaftliche Zwecke zu nutzen. Was vor gut 70 Jahren mühsam erprobt wurde, scheint heute spielerisch beherrschbar zu sein.

Wenn wie jedoch die neulich vom britischen Astrophysiker Stephen Hawking publizierte These betrachten, die den Menschen zum Leben ausserhalb der Erde aufruft, scheint offensichtlich, wie sehr die Technologie noch in den Kinderschuhen steckt. Gemäss Aussage des Physik-Prfessors müsse der Mensch in den kommenden 200 Jahren bereit sein, sich langfristig von der Erde zu entfernen und andere Planeten zu besiedeln, wenn er langfristig überleben will. Den engen Zeitplan von 200 Jahren stützt er auf die dem Ende zuneigenden natürlichen Ressourcen und den wachsenden ökologischen Probleme. Der Grundgedanke dieser Behauptung scheint logisch: Noch nie hat eine Spezies sich langfristig erhalten, wenn sie sich nicht mehr weiter ausbreiten konnte. Findet auch der Mensch keine neuen Lebensräume, wird auch er eines Tages nur noch in fossiler From übrigbleiben.

Aus diesem Aspekt hat sich die Menschheit kaum vom Anfangspunkt der Raumfahrtentwicklung fortbewegt. Die neuen Horizonte, die die Raumfahrt uns bisher geliefert hat, hat uns bisher nur zur Kenntnis gebracht, dass wir uns nach wie vor mit anfänglichen Problemen auseinandersetzen müssen.



Quellen:

-Vierteljahresheft für freie Geschichtsforschung, Ausg. 4/1999, Castle Hill Publishers, Bericht über Innovationen von Wernherr von Braun

-luftarchiv.de; Infos über Luftfahrt- und Waffentechnik
-publizierte Informationen des Imperial War Museum, London


Bildmaterial:
Stephan Riediker, London, 2010

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